Die griechische Wirtschaft schrumpfte, gemäß der Meldung von ElStat von Anfang September, im zweiten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 15,2 Prozent. Saisonbereinigt liegt das Minus bei 15,3 Prozent. Im Vergleich zum vorherigen Quartal sind es 14,0 Prozent. Es ist ein höherer Quartalswert für eine Rezession, als in den Jahren 2009-2015, als Griechenland wegen der Staatspleite sukzessive mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftskraft verlor.

Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Konsumausgaben um 10,1 Prozent. Die Bruttoinvestitionen sanken im gleichen Zeitraum um 10,3 Prozent. Der Export von Gütern und Dienstleistungen fiel um 32,1 Prozent. Dabei sanken die Güterexporte um 15,4 Prozent, während die Exporte von Dienstleistungen um 49,4 Prozent fielen. Bei den Importen ist ein Minus von 17,2 Prozent zu verzeichnen, wobei die Güter um 15,3 Prozent sanken und die Dienstleistungen um 25,7 Prozent.

Zunächst hatte der Zentralbankchef Griechenlands, Yannis Stournaras, zu Beginn der Pandemie und kurz vor dem Ende des Lockdowns ein Minus von vier Prozent prognostiziert. Ein Wert, der von der Regierung bis Anfang Juni als realistisch verteidigt wurde. Nunmehr wurde als Ziel gesetzt, eine Rezession von acht Prozent für 2020 zu erreichen.

Neoliberale Politik als Gegenmittel

Bereits Anfang August hat die Regierung ihren Wirtschaftsplan vorgelegt. Sie möchte die Vorschläge des Wirtschaftsprofessors der London School of Economics, und Nobelpreisträgers von 2010, Christopher Pissarides umsetzen. Der Zypriot sitzt einer Kommission vor, die von der Regierung beauftragt wurde.

Die vierzehn Punkte des Plans umfassen:

  1. Senkung der Lohnnebenkosten durch Senkung der Sozialabgaben und Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Gleichzeitig sollen die sozialversicherungstechnischen Höchstgrenzen weiter gesenkt werden.
    Diese Maßnahme müsste jedoch zwangsläufig zu weiteren Kürzungen für die Sozialversicherten führen.

  2. Die Renten sollen nicht mehr nach dem Generationenvertrag finanziert werden. Vielmehr sollen die Versicherten nach dem Muster von Lebensversicherungen auf ihre Rente sparen.
    Leidtragende dieser Maßnahme werden die Bezieher von kleinen und mittleren Renten sein.

  3. Mit einem neuen Schuldrecht, einer steuerlichen Förderung von Sparkonten, sowie einer Modernisierung des Finanzaufsichtssystems im Bereich des Anlegerschutzes und der Modernisierung des Corporate-Governance-Systems möchte die Regierung die Investitionen weiter ankurbeln.

  4. Gerichtsverfahren sollen schneller zu einem Ende kommen.

  5. Die öffentliche Verwaltung soll modernisiert werden.

  6. Die Kosten für die Produktion sollen gesenkt werden, indem steuerliche Abschreibungsmodelle zeitlich beschleunigt werden.

  7. Ein unabhängiges Institut soll die universitäre Forschung koordinieren und beschleunigen. Innovationen sollen gefördert werden.

  8. Das System der beruflichen Fortbildung für Arbeitslose und Arbeitnehmer soll radikal umgewälzt werden.

  9. Die Beschäftigung von Frauen soll gefördert werden.

  10. Mit einer Bildungsreform möchte die Regierung weitere Anreize schaffen.

  11. Die Digitalisierung der Medizin mit elektronischen Krankenakten, die Minderung der öffentlichen Ausgaben für Medizin und medizinischen Gütern soll die Staatskasse entlasten.

  12. Die Vereinfachung des Systems der Immobiliensteuern soll die Wirtschaft fördern.

  13. Staatliche Investitionen und staatliche Anreize für erneuerbare Energien und Energieeinsparungen sollen die Wirtschaft fördern.

  14. Der Staat möchte mit öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur für:

    1. Digitale Technologien

    2. Grüne Wirtschaftsförderungen und umweltpolitische Aufwertung

    3. Abfallwirtschaft

    4. Transport

private Investoren anlocken.

Im Detail wurden in Berufung auf den Plan bereits einige Gesetze und Regeln erlassen. So werden die Schulkinder in Griechenland künftig im Sportunterricht auch das Cheerleading lernen können, während das Fach Soziologie sukzessive abgeschafft wird.

Zur Entlastung der Arbeitgeber müssen Angestellte, bei denen wegen einer CoVid19-Erkrankung eines Kollegen zu sieben oder vierzehn Tagen häuslicher Isolierung angeordnet wird, die verlorene Arbeitszeit mit täglichen Überstunden von bis zu drei Stunden abarbeiten.

Bei sich selbst hat die Regierungspartei Nea Dimokratia, welche vorgibt, die Wirtschaft zu retten, noch mit keinem Sparplan Erfolg gehabt. Die Schulden der Partei stiegen von 2018 auf 2019 von 290.574.240,66 Euro auf 320.979.434,60 Euro, wie der Rechenschaftsbericht der Partei belegt.

Wie sich die Regierung die Straffung der öffentlichen Verwaltung vorstellt, demonstrierte der Neffe von Premier Kyriakos Mitsotakis in der vergangenen Woche. Eine Stellenausschreibung für 366 kommunale Angestellte der Stadtgemeinde von Athen vom Donnerstag, den 3. September 2020, ließ den Bewerbern bis zum Freitag, den 4. September 2020 um 15 Uhr Zeit, um ihre kompletten Bewerbungsunterlagen in digitalisierter Form abzugeben.

PR-Politik feiert indirekt das Auswandern der Griechen

Premierminister Kyriakos Mitsotakis feierte Ende August den Erfolg eines „griechischen Startup-Unternehmens“. Er twitterte über den Erfolg der Firma, die für eine dreistellige Millionensumme verkauft wurde.

„Congratulations to InstaShop on the largest Greek-founded startup company acquisition to date.

With R&D based in Greece and initial Greek investment, it highlights how our startup ecosystem is thriving and going from strength to strength.”

[Herzlichen Glückwunsch an InstaShop zur bislang größten von Griechenland gegründeten Startup-Akquisition. Mit F & E in Griechenland und anfänglichen griechischen Investitionen wird deutlich, wie unser Startup-Ökosystem floriert und immer stärker wird.“]

Das Unternehmen, InstaShop, wurde vom deutschen Unternehmen Delivery Hero für 360 Millionen Dollar aufgekauft. 270 Millionen Dollar werden sofort fällig, die übrigen 90 Millionen sind mit einer sogenannten „earn-out“ Option versehen, hängen also vom weiteren Erfolg des Unternehmens nach dem Verkauf ab.

InstaShop, ein Dienstleister, der Bestellungen von Waren aus dem Supermarkt über das Internet anbietet, ist im Grunde genommen kein griechisches Unternehmen. Die beiden Firmengründer sind Griechen, haben aber die Vereinigten Arabischen Emirate als Geschäftssitz ausgesucht, und bedienen mit ihren Diensten vor allem arabische Staaten. Ein Detail, welches Mitsotakis verschwiegen hatte. In Griechenland betreibt das Unternehmen, dass durch den Firmensitz vor Mitsotakis fiskalischer Politik sicher ist, ein Entwicklungszentrum in Thermi bei Thessaloniki.

Es erscheint durchaus als Oxymoron, wenn ein griechischer Premier den Erfolg eines Unternehmens feiert, das von ausgewanderten jungen Griechen, also sogenannten Brain-Drainern gegründet wurde. Schließlich gibt es für Mitsotakis dennoch einen Grund zu feiern. Denn InstaShop wurde von Endeavor Global gefördert. Endeavor ist eine Organisation, welche in dreiunddreißig Staaten das Unternehmertum fördert. Mitsotakis Gattin, Mareva Grabovski ist Gründerin der griechischen Abteilung von Endeavor.

Spendierhosen für Rüstung mitten in einer Rekordrezession

Sechs bis zehn Milliarden Euro will die griechische Regierung für ein Rüstungsprogramm bereitstellen. Eine stolze Summe, für welche die Anbieter von Rüstungsgütern bereits Schlange stehen. Den Löwenanteil an der Investitionssumme sicherte sich bereits der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Macron engagiert sich im Erdgasstreit der Griechen mit der Türkei auf griechischer Seite. Er schützt damit auch die Investitionen der französischen Total und konnte gleichzeitig die Rolle des Handelsvertreters für französische Kampfflugzeuge einnehmen.

An Corona verdienen? Mit staatlicher Hilfe klappt ´s

Wenn in der normalen Wirtschaft ein führender Mitarbeiter eines börsennotierten Aktienunternehmens in den Verdacht gerät, frühzeitig von einem Missstand zu wissen, und dieser, den Übrigen nicht bekannte Missstand wegen geschäftlicher Tätigkeit des Betreffenden diesem einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, ermittelt normalerweise die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Insiderhandel.

Wenn in Griechenland etwas Analoges geschieht, dann ist halt schlicht Freitag der 4. September 2020. Wie anders ist es zu verstehen, dass in zwei staatlichen Laboren des Landes mitten in der Woche die Test-Kits für CoVid19 zu Neige gingen und eines dieser beiden Labore gehört zur Hochschule, an welcher das Mitglied der regierungsamtlichen CoVid19-Kommission Gikas Magiorkinis Professor ist?

In einem weiteren staatlich integrierten Labor gibt es keine Tests, weil die Rechnungen von staatlichen Krankenhäusern nicht beglichen wurden, obwohl nach Angaben der regierungsamtlichen CoVid19-Kommission alles bestens geplant und durchgeführt wird. Vielleicht gibt es für alles eine logische Erklärung. Aber für den Staat wird es teuer.

Denn, um die notwendigen Tests trotzdem durchführen zu können, wurde ein privates Labor, bei dem es offenbar Tests zu Genüge auf Lager gibt, beauftragt. Die Empfehlung eben dieses Labor zu beauftragen wurde schriftlich von der Regierung an die staatlichen Krankenhäuser und Gesundheitsdienste gegeben.

Der Staat zahlt nun 28 Euro mehr für jeden Test, als er es für die Tests in staatlichen Laboren gemacht hätte. Das betreffende private Labor, mit dem großen Test-Kit-Lager, schmückte sich bis Donnerstag, den 3. September auf der Interpräsenz mit einem Experten als Garanten für die Präzision der Testdurchführung, Professor Gikas Magiorkinis. Am Freitag war der Eintrag zu Magiorkinis plötzlich und ohne jede Erklärung verschwunden.

Trotz jeder Unschuldsvermutung, wirkt dieses Vorgehen skandalös. Zumal bislang noch niemand die Verantwortung für die in staatlichen Laboren fehlenden Tests übernommen hat.

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